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Arbeitszeugnisse in Frankreich

Arbeitszeugnisse in Frankreich

Haben Sie schon einmal mit dem Gedanken gespielt, Ihre berufliche Karriere im Ausland fortzusetzen? Vielleicht bietet Ihnen Ihr Arbeitgeber diese Möglichkeit und Sie können über diesen Weg Ihren Job in einem anderen Land mit anderer Kultur und anderer Sprache fortführen.

Wie aber gehen Sie vor, wenn Ihr Arbeitgeber Ihnen keinen Arbeitsplatz im Ausland zur Verfügung stellen kann und Sie das ganze selbst in die Hand nehmen müssen? Wie bewerben Sie sich dort? Welche Form der Beurteilung wird hier benötigt? Gibt es im Ausland auch einen Zeugnis-Code und wenn ja: wie sieht dieser aus?

Was Sie über den Stellenwert von Arbeitszeugnissen im Ausland wissen sollten, das erfahren Sie hier. Schauen wir uns heute unser Nachbarland Frankreich an.

Die schriftliche Bewerbung besteht in Frankreich einerseits aus dem Anschreiben (lettre de motivation) und andererseits aus dem Lebenslauf (curriculum vitae). Im Gegensatz zur Bewerbungskultur in Deutschland, ganz gleich ob es sich um die häufige Form der „candidature spontanée“ (Initiativbewerbung) oder um eine Bewerbung auf eine Stellenausschreibung handelt, werden keine weiteren Dokumente beigelegt. Achten Sie deshalb darauf, dass beide Unterlagen aussagekräftig in fehlerfreier französischer Sprache formuliert sind.

Wie verhält es sich mit den Arbeitszeugnissen der bisherigen beruflichen Stationen? Auch diese werden der an einen französischen Arbeitgeber gerichteten schriftlichen Bewerbung nicht beigefügt, also weder das in (mehr …)

Aus der Zeugnishistorie

Aus der Zeugnishistorie

Lydia wurde am 7. April des Jahres 1913 geboren, ein Jahr vor dem Beginn des ersten Weltkrieges. Im Alter von 16 Jahren fand sie eine Anstellung auf  Gut Friedrichsaue in der heutigen Stadt Seeland.  Das Gut gehörte zur Siedlungsgesellschaft Sachsenland, die ebenfalls 1913 ins Leben gerufen wurde. Obgleich Lydia eine sehr gute Arbeitskraft war, erhielt sie nach nur 14 Monaten von ihrer Vorgesetzten die Kündigung. Grund: „wegen Wirtschaftsveränderung“.

Wie sah die wirtschaftliche Lage in 1930 aus? Das Deutsche Reich war mit Beginn des Jahres gegenüber den Siegern des 1. Weltkrieges zu exorbitant hohen Reparationszahlungen verpflichtet worden. Wenige Monate zuvor löste der New Yorker Börsencrash („Schwarzer Donnerstag“) die Weltwirtschaftskrise aus: Banken und Unternehmen brachen zusammen, es folgten Massenentlassungen. Länder, Städte und Gemeinden wurden in ihren Grundfesten erschüttert – und so war auch Friedrichsaue davon betroffen. Lydia ist am 15. Mai 1930 eine von über drei Millionen Arbeitslosen. Am Ende des Jahres werden von den 65 Mio. Einwohnern im Deutschen Reich insgesamt 4,3 Mio. arbeitslos sein.

In einer Zeit, in der Tugenden wie Fleiß, Pünktlichkeit, Ehrlichkeit und Ordnungssinn höchstes Gewicht beigemessen wurde, sollte das Zeugnis den künftigen Dienstherrn über die Führung und das Benehmen informieren und ihn vor unehrlichen oder vertragsbrüchigen Arbeitnehmern schützen. Dabei war es üblich, das Zeugnis knapp zu formulieren, den Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu nennen und es polizeilich beglaubigen zu lassen. Besaß der zu Beurteilende eine hohe Bildung oder war er in der Gesellschaft angesehen, so formulierte der Zeugnisaussteller eine ausdrückliche Empfehlung („Recommendation“) als Ausdruck seiner Zufriedenheit.

Werfen wir unter diesen Prämissen einen Blick auf Lydias Zeugnis und führen eine Zeugnis Beurteilung durch. Alle wichtigen Tugenden („tüchtig“, „treu“, „fleißig“, „eifrig“) werden in ihrem Zeugnis nicht nur aufgelistet, sondern erfahren durch die Worte „äußerst“ und „sehr“ in ihrer Wertigkeit eine bedeutende Steigerung. Auch der Ausstellungsgrund für das Zeugnis wird genannt – die Hintergründe haben wir oben dargestellt. Über den „geschuldeten Zeugnisinhalt“ hinaus (siehe unseren BLOG „Sprengstoff im Arbeitszeugnis“ vom 28. März 2013) gehen die Zukunftswünsche von Lydias Vorgesetzter. Diese Wünsche stellen als Schlusssatz eine freiwillige, zusätzliche Erklärung dar. Insgesamt also hat Lydia mit diesem Zeugnis eine mehr als gute Beurteilung erhalten.

Heute, am Sonntag, den 7. April 2013, wäre Lydia 100 Jahre alt geworden. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag – in memoriam.

Mit freundlicher Genehmigung von Erik Markwordt.

Zeugnis!Lydia Rausch war vom 15.3.1929 als Hausangestellte auf hiesigem Gute tätig. Sie hat sich während dieser Zeit als äußerst tüchtig, treu, fleißig und sehr eifrig gezeigt. Wegen Wirtschaftsveränderung erfolgt die Entlassung. Wir wünschen der Lydia Rausch alles Gute für die Zukunft.

Gut Friedrichsaue den 15.5.1930
Frau W. Müller
Wirtschafterin

Ihr Team von Stolze Zeugnisse

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